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01 Dezember 2006

Girokonto für Jedermann: Bankenverband auf Holzweg

Eher zufällig bin ich über die Webseite des Bundesverbandes auf einen Artikel in "Die Bank" gestossen. Dort rühmt man sich der "Erfolgsgeschichte" des sog. "Kontos für jedermann".

Hintergrund: um einer gesetzlichen Regelung zuvorzukommen, die Banken verpflichtet, auch für z.B. überschuldete Menschen ein Konto auf Guthabenbasis einzurichten, hat der Zentrale Kreditausschuss 1995 eine Empfehlung an seine Mitglieder herausgegeben.

Verbraucherschützer bemängeln immer wieder, dass diese Empfehlung von den Banken häufig unterlaufen wird. Menschen, die -aus welchen Gründen auch immer- in wirtschaftliche Not geraten sind, bekommen bei Banken kaum ein Girokonto auf Guthabenbasis. Im Gegenteil: einige Banken sind berüchtigt dafür, dass sie bestehende Konten z.B. bei Bekanntwerden eines Insolvenzverfahrens o.ä. kündigen.

In dem Artikel (siehe www.die-bank.de/index.asp?issue=122005&art=436) wird auf die Kritik der Verbraucherverbände reagiert: das sei ja alles gar nicht richtig und völlig übertrieben!

Was führt der Autor als Argument an? Er schreibt, dass laut Bundesagentur für Arbeit 97,25% der Zahlungen auf Girokonten gehen. Demnach kann die Zahl derer, die kein Girokonto haben ja nicht so groß sein. Das ist sein EINZIGES Argument und Instrument, um auf die Zahl derer zu schliessen, die kein Girokonto besitzen.

Gegenargument: die Frage ist, auf welche Konten die Bundesagentur für Arbeit Leistungen überweist, denn Leistungsempfänger und Kontoinhaber müssen nicht identisch sein. Dass Menschen ohne Girokonto das Konto von Freund, Freundin, Eltern, Oma und Opa usw. mitnutzen, ist leider häufige Realität. Von der Zahl der angegebenen Kontoverbindungen auf die Zahl der Menschen zu schliessen, die kein Girokonto besitzen, ist also - wohlwollend ausgedrückt- methodisch falsch.

Ausserdem: eine große Zahl von Menschen, denen Banken die Einrichtung eines Girokontos verweigern, beziehen überhaupt keine Leistungen von der Bundesagentur. sollte man auch hier mal ALLE Arbeigeber fragen, ob sie Gehälter immer auf eigene Konten ihrer Arbeitnehmer zahlen?

Auch die Anzahl der Kundenbeschwerden beim Zentralen Kreditausschuss soll ein Hinweis darauf sein, dass die Zahl derer, denen ein Girokonto verweigert wird. verschwindend gering ist. Was der Autor, der wahrscheinlich nie selbst in einer vergleichbaren Situation steckte, nicht berücksichtigt: wem von mehreren Banken ein solches Girokonto verweigert wurde, ist kaum motiviert, den Weg "durch die Instanzen zu gehen, sondern resigniert meistens. Abgesehen davon, dass wohl nur die wenigsten wissen, dass es überhaupt eine "Beschwerdemöglichkeit" gibt.

Zyniker mögen anmerken, dass es doch keine Rolle spielt, ob jemand einen direkten Kontozugang hat oder sich des Kontos eines Freundes oder Familienmitgliedes bedient. Diese Zyniker sollten dann allerdings mal daran denken, was mit diesem Umweg verbunden ist (Kosten, Aufwand, Abhängigkeiten und kein Selbstbestimmungsrecht über das eigene Geld).

Es wird dringend Zeit, dass der Gesetzgeber einschreitet. Die Selbstverpflichtung zum "Konto für Jedermann" ist das Geld nicht wert, auf der sie geschrieben wurde.

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